Franz von Kobell                         Sonett

1803 - 1882

Du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben,

Denn alles Sein nur wertet sich am Ende,

Und keiner weiß, wie es die Stunde wende;

So gilt der Spruch und mag ihn jeder proben.

 

mir aber hat es stets das Herz erhoben

Und gern zum Danke faltet’ ich die Hände

Wenn duft’ger Morgen streute seine Spende,

Ob flüchtig auch der Glanz ihm nur verwoben.

 

Du siehst wohl eine schmucke Blume steh’n,

Geprotzt auf alten Pulverturmes Mauer,

Ein Funke – und es ist um sie gescheh’n.

 

Doch wie sie blühet sonder Angst und Schauer,

So wolle froh auch mit der Freude geh’n

Und laß das Sorgen sein um ihre Dauer.